Unfall-Statistik der Metallindustrie im Jahre 1889


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(Quelle: Mittheilungen des k.k. technologischen Gewerbe-Museums Wien.1890)

Abermals liegt in Form eines umfangreichen Bandes der Jahresbericht der k. k. Gewerbeinspeetoren vor uns, und wir halten es im Interesse der Leser der ‚Mittheilungen“ für gerechtfertigt, wenn wir die in demselben enthaltenen, auf die Unfälle der Metall- und Maschinenindustrie Bezug habenden statistischen Daten auszugsweise hier wiedergeben.

Der Bericht, welcher sich auf das Jahr 1889 bezieht, constatirt vorerst in der Einleitung die stetig wachsende Inanspruchnahme der Gewerbeinspectoren, und bezeichnet als eine wohl begründete und erfreuliche Massnahme, die im Laufe des Berichtsjahres in 8 Aufsichtsbezirken erfolgte Vermehrung der Institutionsorgane, welche in der Ernennung von 8 Gewerbeinspectors-Assistenten ihren Aus- druck fand; nebstbei wird der wohlthätigen Anregung gedacht, welche den zur „Deutschen Ausstellung für Unfallverhütung“ nach

Berlin im Vorjahre entsendeten Gewerbeinspectoren vielfach zutheil geworden ist.Den Ausführungen des „Allgemeinen Berichtes“ entnehmen wir, dass im Berichtsjahre 4366 Gewerbebetriebe mit 259.668 Arbeitern inspicirt wurden, denen zusammen Kraftmaschinen mit der Gesammtleistung von 149306 Pferdekräften zur Verfügung stehen ; von denselben entfallen 74,4 Percent auf Dampf-, 25,1 Percent auf Wasser- und 05 auf Gas-, Heissluft- und andere Motoren. Im Verlaufe der gesammten bisherigen Thätigkeit der Institution (6 Jahre) erscheinen nun 20462 Gewerbebetriebe mit 1,432 386 Arbeitern, mit Kraftmaschinen in der Stärke von 80o.921 Pferdekräften inspicirt; hiervon hatten jedoch 7542 Betriebe keinerlei Motoren, sondern nur Handbetrieb.

Die mittlere Arbeiterzahl auf einen inspicirten Betrieb betrug 50 gegenuber 65 im Vorjahre Die Gewerbeinspectoren hatten im verflossenen Jahre vielfach ihre lhatigkeit behordlichen Commissionen zu widmen, welche durch genehmigungspflichtige Neuanlagen und Adaptirungen oder Zubauten von bestehenden Betrieben veranlasst wurden, persönlich haben dieselben 1887 derartigen commissionellen Verhandlungen beigewohnt, in 622 Fällen sich jedoch nur schriftlich geäussert.

In 6725 Fällen (3490 gegen das Vorjahr) haben sie auf Grund eigener Wahrnehmung Gutachten oder Aeusserungen theils an die politischen Behörden, theils an die Unfafls-Versicherungsanstalten erstattet und ausserdem bei zahlreichen Gerichtsverhandlungen als Sachverständige oder Zeugen fungirt. Die Gesammtzahl der den Gewerbeinspectoren zur Kenntnis gelangten Unfälle beläuft sich auf 3140 (gegen 3718 im Vorjahre) hiervon entfallen auf die Gruppe TU „Erzeugung von Metall- und Metallwaaren“ 633 oder 202 Percent und auf die Gruppe IV, Erzeugung von Maschinen-Werkzeugen, Instrumenten und Transportmitteln der stärkste Antheil mit 744 oder 23,7 Percent.

Hinsichtlich der Objecte, bei welchen, respective durch welche die Verletzung erfolgte, entfallen bei beiden Gruppen III und IV auf Dampfkessel und Dampfapparate 11, Motoren 12, Transmissionen 18, Maschinen zur Metallbearbeitung 24,8 und auf sonstige maschinelle Vorrichtungen, als: Schleifsteine, Prägewerke, Fressen, Walzen, Kollergänge, Centrifugen, Dampfhämmer etc. 107 Unfälle. Nach der Art des Unfalles beträgt die Zahl der in den beiden Gruppen vorgekommenen Fingerverletzungen 440, jene der Hände und Arme 235. die Zahl der Fussverletzungen 245, der Verbrennungen 152, der Getödteten 37, der Verletzungen des Oberkörpers 48, der Augen 103, des Kopfes 44, des Unterkörpers 24, der inneren Verletzungen 20 und der Verletzungen des Gesichtes 19. Die in der sechsjährigen Periode des Bestandes der Institution ermittelte Unfallsumme beträgt 14236, woran Gruppe III, Erzeugung von Metall und Metallwaaren mit 24-6 Percent und Gruppe IV, Erzeugung von Maschinen, Werkzeugen, Instrumenten und Transportmitteln mit 26-6 Percent betheiligt erscheint.

Nach den Objecten, welche Ursache der Unfälle waren, entfallen in Percenten der Gesammtsumme auf: Dampfkessel und Dampfappate 1-3, Motoren 15, Fahrstühle und Hebwerkzeuge 2-2, Transmissionen 4-1, Fahrzeuge, Transport von Gegenständen 55, Maschinen zur Metallbearbeitung 258, Schleifsteine, Prägewerke, Stanzen, Fressen, Walzen, Dampfhämmer etc. 91. Nach der Art der Verletzungen sind die Verletzungen des Gesichtes am wenigsten zahlreich (1-8 Percent), dagegen die Fingerverletzungen am häufigsten (24-6 Percent), während Todesfälle durch den Unfall mit 8-5 Percent der Gesammtsumme sich ergeben. Als Veranlassung der Unfälle sind in den Einzelnberichten häufig Leichtsinn, Fahrlässigkeit, Muthwille, Nichtbeachtung der Vorschriften angeführt; jedoch spielt sehr oft auch der Zufall oder der Mangel an Kenntniss der Gefahr eine verhängnissvolle Rolle als hervorragendste Gefahrenquelle wird jedoch der Mangel an

Sicherheitsvorrichtungen bezeichnet, Aus den Einzelnberichten ist auch ersichtlich, dass die segensreichen Wirkungen der obligatorischen Unfallversicherung sich immer mehr und mehr fühlbar machen dadurch, dass der Frage der Anbringung von Sicherheitsvorrichtungen eine ungleich höhere Aufmerksamkeit von Seiten der Fabriksunternehmer zugewendet wird, um die auf Herbeifuhrung moglichster Sicherheit gegen Gefahren des Lebens im gewerblichen Betriebe gerichteten Bestrebungen möglichst zu unterstützen, hat der Central-Gewerbeinspector mit Zustimmung des Handelsministeriums in Wien einen Verein zur Pflege des gewerbehygienischen Museums in's Leben gerufen, dessen Sammlungen als Grundstock, die Objecte der auf der allgemeinen deutschen Ausstellung für Unfallverhütung vertretenen österreichischen Abtheilung einverleibt wurden. Die Gewerbeinspectoren widmeten jedoch auch vielfach ihre Thätigkeit der Beseitigung von gesundheitsschädlichen Einflüssen im Gewerbebetriebe, welche in nicht unbeträchtlichem Masse, die Arbeitskraft der Arbeiter lähmen, und Störungen im Betriebe hervorrufen, die vom humanitären Standpunkt und im Interesse der Industrie thunlichst hintanzuhalten sind. Der allgemeine Bericht weist an dieser Stelle namentlich auf die viele Arbeitsprocesse begleitende Staubentwicklung hin, deren Beseitigung oder Einschränckung auf Anregung der Gewerbeinspectoren in letzter Zeit erfreulicher Weise eine grosse Beachtung geschenkt wird. So haben die von dem Director der Miniumfabrik in Ober-Vellach, diesbezüglich getroffenen gewerbe-hygienischen Massnahmen in einer zehnjährigen Periode, die Zahl der gefährlichen Bleikolikerkrankungen von 55,2 Percent auf 15,2 Percent vermindert. Ueber die gesammte nach beiden Richtungen hin ausgeübte Thätigkeit der Gewerheinspectoren gibt ein Verzeichniss Aufschluss, welches alle von ihnen im Laufe des Berichtsjahres zum Schutze des Lebens und der Gesundheit getroffenen Anordnungen, respective Empfehlungen enthält und hinsichtlich der Art der verfügten Massnahmen in fünf Gruppen zerfällt.

Nach dem Berichte des Gewerbeinspectors über den 1. Aufichtsbezirk (Amtssitz Wien) entfallen von 1016 insgesammt bekannt gewordenen Unfällen 262 oder 258 Percent auf die Gruppe III Metallindustrie und 421 oder 414 Percent auf die Gruppe IV, Maschinenindustrie, also mehr als die Hälfte der Gesammtzahl nur auf diese beiden Gruppen; auch hier wird wieder constatirt, dass die relativ meisten Unfälle in Fingerverletzungen bestehen. Als Unfallsewerke, ursache sind in überwiegender Mehrzahl das Zusammentreffen unglücklicher unvorhergesehener Zufälle, ferner Unachtsamkeit und endlich auch Ausserachtlassung der nöthigen Vorsichtsmassnahmen seitens der Aufsichtspersonen angegeben. — Als Beispiele solcher Sorglosigkeit führt der Gewerbeinspector das Bearbeiten von Gussen. eisengegenständen mit dem Meissel ohne Anwendung von Auffangerichten vorkehrungen für die herumfliegenden Splitter an, wodurch die ganze Nachbarschaft des Arbeitsplatzes gefährdet wird; ferner das Benützen von Krahnen, die nur zum Lastentransport bestimmt sind, durch Mannschaft.

Auf Sorglosigkeit seitens des Unternehmers ist auch eine ganze Serie von ähnlichen Unfällen zurückzuführen, die in einer Metallwaarenfabrik bei einem Fallwerk entstanden. Ein vertical geführter Fallklotz wird durch den Fusstritt gehoben, während der Arbeiter das zu stanzende Metall mit den Händen auf das Gesenk hält; durch grosse Glätte des Fusstrittes rutschte der Fuss von demselben hinunter, der Fallklotz fiel vorzeitig herab, ehe noch der Arbeiter die Hände zurückziehen konnte und verletzte denselben an den Fingern. Auf diese Weise verunglückten in einem kleinen Zeitraum vier Arbeiter, ohne dass es dem Unternehmer eingefallen wäre, den Fusstritt rauh zu machen, was doch naheliegend erscheint. Das Vorkommen ganz ähnlicher Verletzungen hat der Berichterstatter auch bei den Excenterpressen beobachtet, wo durch vorzeitiges Niedergehen des Presskolbens die Hand des Arbeiters von demselben erfasst wird; er empfiehlt daher überall dort, wo eine selbstthätige Zuführung nicht vorhanden ist, die Bedienung der Presse mittelst einer Zange statt mit blosser Hand.

Eine grosse Anzahl von Unfällen ereignete sich bei Maschinen der Metallbearbeitung durch die Schuld der Arbeiter; hierher gehört auch der Unfall, der dadurch entstand, dass ein in einer Metallwaarenfabrik beschäftigter Arbeiter die vom Fraisen herrührenden Metallspäne mit der Hand statt mittelst eines hierzu bestimmten Pinsels wegkehrte, und hiebei vom rotirenden Fräsmesser erfasst wurde.

Die zahlreich constatirten Augenverletzungen sind numerisch zumeist durch abfliegende Splitter beim Schmieden und Abmeisseln von Gussgegenständen etc. entstanden und könnten leicht vermieden werden, wenn die Aufsichtsorgane mit aller Strenge darauf sehen würden, dass solche Arbeiten nie ohne Anwendung von Schutzbrillen vorgenommen würden.

In einer Kesselschmiede wurde ein Arbeiter beim Auspoltern eines Kesselbodens dadurch getödtet, dass ihn der vom Stiele abfliegende Hammerkopf eines Vorschlaghammers in die Bauchgegend traf. Nach Wahrnehmung des Gewerbeinspectors war im verflossenen Jahre auch die übermässige Ausnützung der Werkstättenräume eine vielfache Unfallsquelle; so ereigneten sich in einer Giesserei bei einem Krahn drei Unfälle hintereinander dadurch, dass die Arbeiter

in Folge Platzmangels nicht die Kurbeln an die Krahnräder aufstecken konnten, sondern direct von Hand an dem grösseren Rade drehten und sich hiebei die Finger verletzten. Zum Schlusse seines Berichtes spricht der Gewerbeinspector des Aufsichtsbezirkes die Ansicht aus, dass bei jedem Unfall, ohne Rücksicht auf Art und Folgen, Erhehungen um Ermittlung der Unfallsursache gepflogen werden sollten, denen der Gewerbeinspector beizuziehen wäre.

Im II. Aufsichtsbezirke Amtssitz Wiener-Neustadt wurden dem Gewerbeinspector im Berichtsjahre im Ganzen 276 Unfälle zur Kenntniss gebracht, welche in 134 Betrieben sich ereigneten und von denen 26 Fälle mit Tod ausgingen. Hiervon entfallen zusammen auf die Metall- und Maschinenindustrie (Gruppe III und IV) 127 Fälle, darunter drei Todesfälle. Nach der Art der Verletzung entfallen von den 276 Unfällen die grösste Anzahl mit 24 Percent auf Hände und Arme, die Geringste dagegen mit 15 Percent auf Gesichtsverletzungen. Die meisten Unfälle, 14-9 Percent, wurden durch Herabfallen von Gegenständen veranlasst; 11-2 Percent der Unfälle wurden durch Schleifsteine, Pressen, Walzen, Dampfhämmer, 8 Percent durch Metallbearbeitungsmaschinen und nur 0-7 Percent

durch Motoren hervorgerufen. Auch hier figuriren wieder die Gruppen der Metall- und Maschinenindustrie mit der meisten Anzahl von Unfällen; als Entstehungsursache wird theils Unvorsichtigkeit, theil verhängnissvoller Zufallangegeben. Von den angeführten Unfällen sei hier nur einer, der sich in einemWalzwerke ereignete, nachstehend besprochen.

In einem Walzwerke versäumte ein Arbeiter auf der Auslaufseite den richtigen Moment, in welchem das Walzgut das Caliber passiren sollte; der plötzlich austretende glühende Stab durchdrang seinen Oberschenkel und verursachte ihm eine ziemlich schwere Riss- und Brandwunde. Von Berufskrankheiten erwähnt der Berichterstatter mehrere Bleikolikfälle, die theils in einer Bleir6hren-, theils in einer Accumulatorenfabrik vorkamen, und einen Fall von Gussfieber, eine Krankheit, die bei Gelbgiessern durch das Einathmen der aus den Schmelztiegeln aufsteigenden Gase beim Metalischmelzen vorkommt, aber nur vorübergehender Natur ist.

Aus dem Berichte des Gewerbeinspectors des III. Aufsichtsbezirkes, Aintssitz Linz, entnehmen wir, dass im Berichtsjahre im Ganzen €34 Unfälle angemeldet wurden, von denen fünf tödtlichen Ausgang hatten. Auf die Gruppe III und TV entfallen von der Gesammtzahl zusammen nur 9, von denen einer mit Todesfall. Die weitaus grössere Zahl der Unglücksfälle erfolgte durch Unvorsichtigkeit des Verunglückten. Leider muss auch constatirt werden, dass einige Fälle von Verletzungen durch Nichtvorhandensein von Schutzvorrichtungen zu verzeichnen waren.

In die erste Kategorie ist der Unfall einzureihen, der nach dem Berichte in einer Maschinenfabrik einem Hammerschmied bei einem Fallwerke passirte; während der Hammerbär in die Höhe ging, machte sich der Arbeiter etwas unter demselben zu schaffen, zog jedoch während dem Herabfallen des ersteren die rechte Hand nicht rechtzeitig zurück und zerquetschte sich dieselbe.

In die zweite Kategorie wären einige im Berichte angeführten Unfälle zu verzeichnen, die bei unverschalten Schwungrädern vorkamen.

Der Gewerbeinspector des IV. Aufsichtsbezirkes (Amtssitz Graz) berichtet über 87 angemeldete Unfälle, ist jedoch der Anschauung, dass diese Ziffer nur circa den vierten Theil der wirklich vorgekornmenen Unfälle ausmacht. Abermals sind hier die Industrie- gruppen UI und IV (Eisen., Stahl- und Metallwaaren-Tndustrie) am stärksten an der Gesammtzahl betheiligt. — In Bezug auf die Art der Unfälle bestand die Mehrzahl derselben in Verbrennungen, Verletzungen der Füsse und Verletzungen der &rme und Finger. — Der Berichterstatter nimmt für circa ein Drittel der Unfälle den schlimmen Zufall, für circa ein Sechstel die Unachtsamkeit des Arbeiters als Ursache an, beklagt sich jedoch lebhaft zum Theil über den Mangel, zum Theil über die Nichthandhabung oder gar eigenmächtige Entfernung der Schutzvorrichtungen durch die Arbeiter, welchem Umstande er den Rest der Unfälle zuschreibt; so beobachtete er selbst bei Inspectionen, dass die Arbeiter von vorhandenen Schutzbrillen und Respiratoren keinen Gebrauch machen, und dass sie die an den Arbeitsmaschinen zum Schutze angebrachten Hülsen, Hauben, Verschalungen, Schutzbleche etc. eigenmächtig beseitigten. So büsste z. B. in einer Metallwaarenfabrik ein Arbeiter beim Abdrehen einer Welle in Folge Eindringen eines Eisensplitters in das ungeschützte Auge dasselbe ein.

Dagegen ist der Unfall, der sich durch das Zerspringen eines sonst gut versicherten Schleifsteines ereignete und der einem Arbeiter das Leben kostete, als unglücklicher Zufall zu bezeichnen.

In Bezug auf Berufskrankheiten machte der Berichterstatter Wahrnehmungen ganz eigenthümlicher Art in einer Drahtbeizerei, wo häufige Erkrankungen vorkamen, und nimmt an, dass dieselben in der Einathinung der sich entwickelnden schädlichen Gase (durch Einwirkung verdünnter arsenhältiger Schwefelsäure auf den Zunder des Drahtes) bei dem Beizprocesse ihren Ursprung haben.

Aus dem V. Aufsichtsbezirke (Amtssitz Klagenfurt) wird über 163 gemeldete Unfälle Bericht erstattet, wovon 21 tödtlichen Ausgang hatten; diese Ziffer erscheint sehr gering im Verhäkniss zu der des Vorjahres1 welche 920 ergab, und lässt sich nur dahin erklären, dass in diesem Jahre nur die officiell gemeldeten Fälle zur Aufnahme gelangten. Die grösste Zahl der Unfälle weisen wieder die Betriebe der III. und IV. Industriegruppe aus und entfallen auf dieselben 46. Todesfälle kamen in diesen Gruppen nicht vor, und waren nach der Art des Unfalles wieder am häufigsten Verletzungen an Fingern und Armen und Verlust des Augenlichtes durch Abspringen von Splittern. Der Gewerbeinspector begrüsst in seinem Berichte mit Genugthuung, dass bei neugelieferten Maschinen die Schutzvorrichtungen von einzelnen Maschinenfabriken bereits mitgeliefert werden.

Der Gewerbeinspector macht ferner Mittheilung über einige interessante Betriebseinrichtungen, welche er bei seinen Inspecilonen in einigen gut eingerichteten Etablissements angetroffen hat, und bei denen der Unternehmer den Schutz oder Erleichterung des Arbeiters im Auge gehabt hat. So fand derselbe z. B. in einem Etablissement die beim Cupolofen beschäftigten Arbeiter mit Asbest- handschuhen ausgerüstet, welche bei der Arbeit über die Hand gezogen und am Unterarme festgeschnallt, ein festes Anfassen gestatten, die Hände jedoch vor dem Verbranntwerden schützen. In einer Emailgeschirrfabrik werden zum Herausziehen der Geschirre aus dem Beiztroge Gabelzangen verwendet, so dass der Arbeiter in keine directe Berührung mit der Beizfiüssigkeit kommt.

In den Walzwerken der Alpinen Montan-Gese]lschaft werden die Walzen nicht mehr mittelst Handradschrauben sondern mittelst Frictionskurbeln durch eine Transmissionswelle bewegt und dadurch die Arbeit beim Ausrücken wesentlich erleichtert; in den Räder- schmieden derselben Gesellschaft wird ferner das Umbiegen der Radspeichen nicht mehr von Hand aus, sondern durch kleine hydraulische Pressen vorgenommen und die beschwerliche Arbeit des Biegens beträchtlich reducirt.

Bezüglich der Transmissionen berichtet der Gewerbeinspector im Allgemeinen, dass sowohl Nasenkeile als auch Stelischrauben wenig oder gar nicht geschützt vorgefunden werden und empfiehlt diesbezüglich als praktische und billige Schutzvorrichtungen die Einkapselungen von Schmidt nach D. R. Patent Nr. 39266. Ferner constatirt er auch, dass die Anwendung von Riementrägern sehr langsame Fortschritte macht und empfiehlt hiefiir speciell die Biedermann‘schen Riementräger, die sich bisher in der Praxis gut bewährt haben.

Im VII. Aufsichtsbezirke (Amtssitz Innsbruck) gelangten 50 Unfälle zur Kenntniss des Gewerbeinspectors; auch hier ist die grösste Anzahl von Unglücksfälien, und zwar 17 auf die Gruppe III und IV za rechnen; von diesen 50 Unfällen waren fünf Fälle, die mit Tod ausgingen (eine relativ hohe Ziffer); auch hier waren wieder Verletzungen der Hände und Arme, ferner Verletzung der Füsse in Majorität.

Als Unfallsursache wird in dem Berichte grösstentheils Absturz oder Herabfallen von Gegenständen angegeben (12); dem zunächst waren am zahireichsten Unfälle bei ‘r und Metallbearbeitungsmaschinen (4).

Der Kürze halber wollen wir hier die Berichte der übrigen Gewerbeinspectoren nach Kronländern zusammenfassen und hätten demnach aus den vier Aufsichtsbezirken Böhmens (VIIL Aufsichtsbezirk Prag, IX. Aufsichtsbezirk Reichenberg, X. Aufsichtsbezirk Pilsen, XL Aufsichtsbezirk Budweis) der Reihe nach 123, 253, 40 und 28 Unfälle zu verzeichnen, welche zur Kenntniss der &ewerbeinspectoren gelangten; auf die Maschinen- und Metallindustrie entfallen hievon 55, 26, 4 (im XI. Aufsichtsbezirk kam keiner vor); mit tödtlichem Ausgang befanden sich unter den Gesammtziffern 7 (1 Todesfall in der Metallindustrie), 29 (3 Todesfälle in der Metallindustrie) und 7. Hinsichtlich der Art der Unfälle, sind, wie aus dem VIII. Aufsichtsbezirke gemeldet wird, wieder Fingerverletzungen in der überwiegenden Majorität (268 Percent der Gesammtziffer). Von den in diesen Bezirken vorgekommenen Unfällen seien nur Folgende angeführt:

Der \Torwalzer eines Kupferwalzwerkes wurde beim Ueberbeben des Walzgutes an eine Säule angedrückt und erhielt einen so heftigen Stoss von der das Walzstück haltenden Zange in die Magengegend, dass er an den Folgen dieses Stosses in einigen Tagen starb. Drei Fälle ereigneten sich durch Nahekommen an die Transmissionswelle. Vier Arbeiter wurden während dem Auflegen des Riemens auf die Scheibe von ersterem erfasst. In einer Schmiede riss die Kette eines Krahns und beschädigte die herab- fallende Last den hiemit manipulirenden Arbeiter schwer am Fusse. Ein Unfall kam bei nicht verschalten Kammrädern in einer Maschinenfabrik vor. Abermals wird mehrfach auch hier wieder die Klage laut, dass allzuhäufig Unachtsamkeit und Sorglosigkeit der Arbeiter selbst Ursachen der Unglücksfälle sind.

Dass die Thätigkeit der Gewerbeinspectoren in Bezug auf Massnahmen zur Unfallverhütung eine sehr rege war, beweist u. A. die Angabe des Berichterstatters aus dem VIII. Aufsichtsbezirk, dass er 938 Schutzvorrichtungen anzuordnen für nöthig fand. — Aus demselben Bezirke wird rühmend auch das humane Vorgehen einiger Leiter von Maschinenfabriken hervorgehoben, welche durch ausreichenden Schutz und zweckmässige Unfaliverhütungs - Vorschriften in dieser Richtung wirksame Vorsorge trafen.

Der Gewerbeinspector des XI. Aufsichtsbezirkes spricht sich auch mit Recht gegen die gefährliche Ausbesserung der Riemen an der Transmission aus, meldet einen Unfall aus diesem Anlasse und empfiehlt die vollständige Herabnahme eines reparaturbedürftigen Riemens von seiner Transmission.

Das industriereiche Kronland Mähren ist in zwei Aufsichtsbezirke getheilt, und zwar XII. Aufsichtsbezirlc mit dem Amtssitz e in Brünn und XIIL Aufsichtsbezirk mit dem Amts sitze in 0 Im ütz. Aus ersterem wird über 222, aus letzterem über 224 Unfälle berichtet, wobei jedoch hinzu gefügt wird, dass ohne Zweifel die Gesammtzahl der vorgekommenen Unfälle eine bedeutend grössere ist. — Hievon ereigneten sich in Etablissements der Metall- und Maschinenindustrie 98 im XIL und 61 im XIII. Aufsichtsbezirke; der Gewerbeinspector des XII. Aufsichtsbezirkes neigt aber trotz der hohen Unfallsziffer nicht der Ansicht hin, dass die Unfallsgefahr in diesen Branchen in seinem Bezirke am grössten, sondern erklärt dieselbe aus dem Umstande, dass drei der grössten Maschinenfabriken alle, selbst die kleinsten Unfälle meldeten, was von den Etablissements der anderen Industriegruppen nicht behauptet werden kann; die Mehrzahl der Unfälle entstand aus eigener Unvorsichtigkeit; zahlreich waren jedoch Unfälle, welche Nichtbeachtung oder Nichtanwendung vorhandener Schutzvorrichtungen zur Ursache

hatten. Im Besonderen wären folgende Unfälle anzuführen Bei einem Walzwerke des XII. Aufsichtsbezirkes verunglückte ein Arbeiter durch eigene Unvorsichtigkeit schwer beim Abenden des Walzgutes an der Pendelsäge, obwohl dieselbe mit einer entsprechenden Schutzschraube versehen war. In einem Eisenwerke des XIII. Aufsichtsbezirkes fiel der beim Gichten des Erzes beschäftigte Arbeiter in den Röstofen und wurde als Leiche herausgezogen. Zahlreiche Unglücksfälle kamen wieder bei Transmissionen gelegentlich des Riemenauflegens etc vor, der Gewerbeinspector des XIII. Aufsichtsbezirkes referirt über die Wahrnehmung, dass von den Maschinenfabriken seines Bezirkes Transmissionen geliefert werden, die den einfachsten Anforderungen des Arheiter-

schutzes nicht entsprechen, macht jedoch hiefür die Besteller verantwortlich und empfiehlt die Bestellung der Transmissionen und deren Theile nach Stückzahl und nicht nach dem Gewichte. Der Gewerbeinspector desselben Aufsichtsbezirkes beanständet ferner den häufigen Mangel von Leerscheiben an Arbeitsmaschinen, der auch eine Unfallsquelle bildet, und empfiehlt das nachträgliche Anmontiren einer Leerscheibe an eine kurze, seitlich in Consolen gelagerte Vorgelegswelle, im Falle dieselbe nicht direct an der Hauptantriebswelle vorhanden. ImXIV. Aufsichtsbezirke (Amtssitz Troppau) kamen 223Unfällezur Kenntniss des Gewerbeinspectors; hievon endeten 33 mit dem Tode des Verunglückten. An Maschinen zur Metallbearbeitung kamen 21 Unfälle vor, darunter 2 Todesfälle und 16 Finger- und Handverletzungen; unter die Unfälle der ersten Kategorie wäre ein Fall zu rechnen, der sich dadurch ereignete, dass eine Schmirgelscheibe zersprang und deren Stücke den hiebei beschäftigten Arbeiter traten. An Transmissionen kamen 4, an Motoren kamen 5 Unfälle vor. Durch Abfliegen von Eisensplittern sind in 6 Fällen Augenverletzungen zu verzeichnen. Im XV. Aufsichtsbezirke (Amtssitz Lemberg) wurden dem Gewerbeinspector 219 Unfälle gemeldet, dieselben betreffen

jedoch fast gar nicht die Metallindustrie, und ereigneten sich zumeist in Sägewerken und Petroleumraffinerien. Wir haben im Vorstehenden nur die wichtigsten auf die Unfälle und den Arbeiterschutz in der Metall- und Maschinenindustrie Bezug habenden Daten besprochen und verweisen im Uebrigen auf

den officiellen Bericht, der in Bezug von Allem, auf dem Gebiete des Arbeiterschutzes Wissenswerthen, eine wahre Fundgrube genannt werden kann, und dessen Lecture bei der heute so wichtigen Rolle, welche die Bestrebungen aller Industriestaaten in diesem Sinne spielen, jedem Fabrikanten und Gewerbetreibenden zu empfehlen ist.

 

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