Das Heerwesen der k&k Monarchie im Jahre 1903
Die k.u.k. Armee gliederte sich in folgende Truppenteile
- k. u. k. Heer
- bosnisch-herzegowinischen Truppen
- k. k. österreichische, königliche ungarische Landwehr
- k. k. österreichischer, königl. ungarischer Landsturm (Honvéd)
- und die k. k. Kriegsmarine.
Die allgemeine Wehrpflicht bestand seit 1868. Nichtassentierte („assentiert“ bedeutet „für einen bestimmten Zweck tauglich erklärt“) entrichteten laut Gesetz vom 13. Juni 1880 pro Dienstpflichtjahr 2–200 Kronen Militärtaxe (Wehrsteuer).
In Bosnien und der Herzegowina waren verschiedene Erleichterungen (keine Militärtaxe, Landwehr- und Landsturmpflicht, Geistliche, Ärzte, Apotheker, Tierärzte dienstfrei, bedingungsweise Stellvertretung) des Wehrdienstes zugelassen.
Die österreichisch-ungarische Landwehr war, im Gegensatz zu andern Staaten, wo Landwehr nur ältere Jahrgänge des Beurlaubtenstandes bezeichnet, auch eine aktive Truppe (Infanterie, Landesschützen, Ulanen, Husaren). Alle in Tirol und Vorarlberg Wehrpflichtigen, d.h. Kaiserjäger, Landesschützen, Landsturmmänner, dienten der engeren Landesverteidigung.
Die Leibgarden, Kronwache Gendarmerie, Militärwachtkorps waren zwar militärisch organisiert, gehörten aber nur teilweise zur bewaffneten Macht.
Die Stellungspflicht begann mit dem 1. Jänner des Kalenderjahres, in dem das 21. (im Okkupationsgebiet das 20.) Lebensjahr vollendet wurde.
Die Dienstpflicht strukturierte sich wie folgt:
- Heeressoldat 3 Jahre aktiv,
- 7 Reserve,
- 2 nichtaktive Landwehr;
- Landwehrsoldat 2 Jahre aktiv,
- Landwehrsoldat 10 Jahre nichtaktiv
Für Bosnier galt
- Bosnier 3 Jahre aktiv
- 7 Reserve
- Ersatzreservist, d.h. Mindertauglicher oder Begünstigter
- 12 Jahre nichtaktiv, davon 8 Wochen Ausbildung.
Die nichtaktive Landwehr, Reserve und Ersatzreserve absolvierte 3–5 Waffenübungen von 13–35 Tagen. Absolventen inländischer Gymnasien und gleichgestellter Anstalten haben Einjährig-Freiwilligenrecht und können nichtaktive Kadetten und Offiziere werden. Der Landsturmpflicht unterliegt jeder hierzu taugliche, der 1. Linie nicht angehörende Staatsbürger in zwei Aufgeboten (19.–37. und 38.–42. Lebensjahr).
Das gemeinsame Heer hat 15 Korpsbezirke mit einem Militärterritorialkommando an der Spitze (die Korpsbezirke waren Krakau, Wien, Graz, Budapest,Preßburg, Kaschau, Temesvar, Prag, Leitmeritz, Przemýsl, Lemberg, Hermannstadt, Agram, Innsbruck [dieses war das k. k. Landesverteidigungskommando], Sarajewo), und einen Militärkommandobezirk für Dalmatien.
Jedes österreichische Militärterritorialkommando war zugleich Landwehrterritorialkommando. Der Korpskommandant und Militärkommandant in Zara fungierte als Landwehrkommandant (entsprechende Funktionen hatte inTirol-Vorarlberg der Landesverteidigungskommandant).
Die Ungarische Landwehr hatte entsprechend 7 Infanterietruppendivisionen bestehend in 7 Landwehrdistrikten (Budapest, Szegedin, Kaschau, Preßburg, Stuhlweißenburg, Klausenburg, Agram), mit einem Landwehrdistriktskommando an der Spitze.
Bei den österreichisch ungarischen Landwehrbehörden wurden alle Landsturmagenden zentral geführt.
Der Kaiser war oberster Kriegsherr der gesamten bewaffneten Macht, die Militärkanzlei vermittelte zwischen ihm und den Zentralbehörden. Dem Kaiser unterstanden unmittelbar der Chef des Generalstabs und die drei Generaltruppeninspektoren. Das Landwehroberkommando in Wien und Budapest war für die stete Schlagfertigkeit der Landwehrtruppen verantwortlich. Besondere Generalinspektoren bestanden für Kavallerie, Artillerie, Genie, Pioniere, Train, Erziehungs- u. Bildungsanstalten, Remontierung, und es gab einen Inspektor für die Festungsartillerie.
General- und Geniestab ergänzen sich aus aktiven Heeres- und Landwehroffizieren, welche die Kriegsschule (s. Kriegsakademie) oder den höheren Geniekurs mit vorzüglichem Erfolg absolvieren müssen. Der Geniestab leitet den kriegsbautechnischen Dienst, Angriff und Verteidigung fester Plätze; der Generalstab verteilt sich ohne Kategorienunterschied auf sieben Bureaus im Wiener Kriegsministerium, Truppen und Anstalten.
Bewaffnung:
Die österreichisch-ungarischen Infanterieregimenter und die Jägerbataillone führen das Mannlicher-Repetiergewehr M/95, die Kavallerie den Repetierkarabiner M/95, der Train den Karabiner M/90, die Feld- und Fußartillerie und die Mannschaften der Verpflegungsbranche den Repetierstutzen M/95, alle 8 mm-Kaliber. Offizier- etc. Bewaffnung ist Säbel und Revolver, Selbstladepistolen verschiedener Konstruktionen werden erprobt. Die Ulanenpike (Lanze) ist seit 1874 abgeschafft.
Artilleriebewaffnung:
statt des bisherigen 9 cm-Stahlbronzefeldgeschützes System Uchatius M 75/96 für fahrende und M 75/90 für reitende Batterien ist die 7,65 cm-Schnellfeuerkanone M/1904 aus Schmiedebronze mit Rohrrücklauf in Einführung (starrer Klappsporn, hydraulische Bremse, 3 mm-Chromstahlklappschilde, Einheitspatrone, 6300 m größte Schußweite, 20 Schuß pro Minute); außerdem führt die Feldartillerie 10 cm-Haubitzen M/99 und das 7 cm Gebirgsgeschütz M/99, beide in Wandlaffete mit Federsporn.
Geschütze der Festungsartillerie:
6 bis 8 cm-Kasemattkanonen, 7 cm-Gebirgskanonen, 8 bis 10 cm-Feldkanonen, 9 cm-Schnellfeuerkanonen, 12 bis 18 cm-Belagerungskanonen, 7 bis 30,5 cm-Küstenkanonen, 11 bis 28 cm-Minimalschartenkanonen, 15 cm-Haubitzen, 9 bis 24 cm-Mörser, 8 bis 11 mm-Mitrailleusen, 9 bis 15 cm-Kanonen M/61, Lückengeschütze älteren Musters.
Heeresanstalten:
Bildung und Erziehung fand in der Kriegsschule in Wien mit einem vorbereitenden Subalternoffizierkurs der königlich ungarischen Landwehr statt, sowie 3 Militärakademien , 19 Infanterieschulen, 1 Kavallerieschule, 2 Artillerieschulen, 1 Pionierkadettenschule, 2 Oberrealschulen, 5 Unterrealschulen (oder auch Militärrealschule).
Weiters gab es ein Erziehungsinstitut für verwaiste Offizierssöhne, 2 Offizierserziehungsinstitute und 2 Mannschafts- und Töchtererziehungsinstitute,
und die Infanteriekadettenschule in Prag mit Abteilung für Train,
In Preßburg wurden Sanitäter ausgebildet, in Wien und Großwardein fand die Ausbildung der Landwehrkavallerie und ein höherer Geniekursus statt
Darüber hinaus gab es noch folgende Schulen
- Einjährig-Freiwilligenschulen ( auch Landwehr-Offizieraspirantenschulen)
- Armeeschießschule in Bruck a. d. Leitha
- Schießschule für Feldartillerie in Hajmasker
- Schießschule für Festungsartillerie am Steinfelde
- Militärreitlehrerinstitut Wien
- Reit- und Fahrlehrinstitut Schloßhof bei Marchegg
- Militärfecht- und Turnlehrerkursus in Wiener-Neustadt
- Militärgeographisches Institut
- Kriegsarchiv
- Heeresmuseum in Wien
Offiziere wurden immer wieder zum Besuch von Hochschulen kommandiert.
Landesbefestigung:
In Galizien sind Krakau und Przemýsl große Fortfestungen, in Lemberg und auch in Jaroslaw sind Befestigungen für den Kriegsfall vorbereitet. Gegen die Balkanhalbinsel Trebinje und Bilek gibt es Sperrgruppenbefestigungen, ebenso in Mostar, Sarajevo, Peterwardein und Karlsburg. An der Schweizer Grenze sind Befestigungen in Nauders, Gomagoi, Val Strino. An der italienischen Grenze ist in Trient mit Levico eine große Fortfestung, weiters gibt es Sperrpunkte in Tirol, Lardaro, Riva, Paneveggio, Landro, Moos, in Kärnten sowie Malborgeth, Predil, Flitsch.
An der Küste des Adriatischen Meeres liegt das befestigte Cattaro, Pola-Fasana ist der Hauptkriegshafen. Im Landesinneren ist noch Komorn befestigt.
Die Nationalitäten im Heer betragen in Prozenten:
- Deutschsprachige 29%
- Magyaren 18%
- Tschechen 15%
- Polen 9%
- Ruthenen 8%
- Serbokroaten 7%
- Rumänen 5 %
- Slowaken 5 %
- Slowenen 3 %
- Italiener 1%
Die Deutschsprachigen herrschen bei der Infanterie (26 %), den Jägern (50 %), der Artillerie (40%) und den technischen Truppen (50%) vor.
Die Magyaren findet man meist bei der Kavallerie (33%) und dem Train.
Mit Rücksicht auf die verschiedenen Völkerschaften wird in militärischen Unterrichtsanstalten auch die jeweilige Nationalsprache gepflegt. Die Dienstsprache ist deutsch, nur beim Honvéd ungarisch, bez. kroatisch; die Oberoffiziere, Leutnant bis Hauptmann, waren verpflichtet, binnen drei Jahren die vorherrschende Nationalsprache, Regimentssprache genannt, zu erlernen. Der jährlich sich steigernde Offiziersmangel, namentlich in den subalternen Chargen, machte sich empfindlich geltend.
Buchtipps
- Glückmann, Das Heerwesen der österreichisch-ungarischen Monarchie (9. Aufl., Wien 1905)
- »Die Heere und Flotten der Gegenwart«, Bd. 4: Das Heer, von E. v. Kählig (Berl. 1899)
- Dumek, Organisation der bewaffneten Macht der österreichisch-ungarischen Monarchie (Wien 1900)
- Wrede, Geschichte der k. u. k. Wehrmacht (hrsg. von der Direktion des k. u. k. Kriegsarchivs, das. 1898–1905, Bd. 1–5)
- Anger, Illustrierte Geschichte der k. u. k. Armee (das. 1898)
- »Die österreichische Armee von 1700–1867« (illustriert von Ottenfeld, Text von Teuber, das. 1895–1904)
- Poten, Geschichte des Militär-Erziehungs- und Bildungswesens in Österreich-Ungarn (Bd. 15 der »Monumenta Germaniae paedagogica«, Berl. 1893)
- Dolleczek, Geschichte der österreichischen Artillerie (Wien 1887, 2 Bde.)
- Metzger, Fahnenhistorik der k. u. k. österreichisch-ungarischen Infanterie der letzten 300 Jahre (Wiener-Neustadt 1898)
- Schmid, Das Heeresrecht der österreichisch-ungarischen Monarchie (Wien 1903)
- v. Loebells »Jahresberichte über die Veränderungen und Fortschritte im Militärwesen« (Berl.).
Die Kriegsflotte
Eine Kriegsflotte erhielt Österreich erst durch die Besitznahme Venedigs 1798, bez. 1814. Im Jahre 1848 büßte Österreich durch den Abfall Venedigs fast seine ganze Flotte wieder ein, und erst durch die Tatkraft des Erzherzogs Maximilian begann die Entwicklung der Kriegsmarine, die sich 1866 bei Lissa glänzend bewährte. Seitdem war die österreichisch-ungarische Kriegsflotte nur langsam gewachsen. Marine-Zentralbehörde ist die Marinesektion des Reichskriegsministeriums, deren Chef zugleich Marinekommandant ist.
Sie gliedert sich in die Präsidialkanzlei (Organisation, Erziehungs- und Sanitätswesen), die Operationskanzlei (Generalstabsbureau der Marine), die erste Geschäftsgruppe (Personalsachen), zweite Geschäftsgruppe (marinetechnische Angelegenheiten) sowie je eine Abteilung für Justiz und Rechnungswesen.
Zentralhafen der Kriegsflotte ist Pola, dessen Hafenadmiralat das Militärhafenkommando (mit dem Befehl über das Matrosenkorps, die Schul- und Kasernenschiffe das Hydrographische Amt, die Marinespitäler etc.) für den maritim-militarischen Dienst und das Seearsenalskommando für den technisch-ökonomischen Betrieb des Seearsenals (Marinenwerft) unterstellt sind.
Das Matrosenkorps enthält in drei Depots (Abteilungen) die Mannschaften des Deckdienstes (6 Kompanien), des Steuerdienstes (1 Kompanie), des Artilleriedienstes (3 Kompanien), des Torpedodienstes und des Seeminendienstes (zusammen 1 Kompanie), weiters des Maschinendienstes (3 Kompanien) und des Militärarbeiter-, Proviant-, Küchen- und Sanitätsdienstes (1 Kompanie) sowie eine Musikabteilung und eine Stabsabteilung.
Vom Matrosenkorps werden die Besatzungen für die Schiffe gestellt. Die Dienstpflicht dauert 4 Jahre in der Linie, 5 in der Reserve und 3 in der Seewehr; außerdem werden Vierjährig- und Einjährig-Freiwillige eingestellt.
Ständig im Dienst sind ein Artillerieschulschiff mit mehreren Beischiffen, ein Torpedoschulschiff mit Beischiffen. Am Lande sind in Pola die Seeminen- und Telegraphenschule, das Hydrographische Amt mit Marinebibliothek, ein Marinespital, ein Bekleidungsamt, Gefangenhaus, Schwimmschule sowie Marineschulen für das Personal und auch für dessen Kinder undein Marinepfarramt.
In Triest ist ein Seebezirkskommando sowie das Marinezentralarchiv, in Fiume ist die Marineakademie für die wissenschaftliche Ausbildung der Seekadetten in vier Jahrgängen, unterbrochen von Kreuzfahrten auf einer Schulkorvette. In Sebenico befindet sich das Schiffsjungeninstitut auf einem Hafenschiff nebst Beischiffen. Als Flottenstation ist außerdem die große Bucht von Cattaro mit Kohlenlagern, Marinewerkstätten etc. ausgerüstet. Für die Donauflottille ist Budapest Stationshafen.
Im Jahre 1905 betrugen die Marineausgaben 91,6 Mill. Kronen, das Personal zählte: 563 Seeoffiziere, 88 Maschinenleiter, 66 Sanitätsoffiziere, 161 Marinekommissäre, 9 Marinegeistliche, 180 Seekadetten und Seeaspiranten, 10,927 Unteroffiziere und Gemeine.
Zur aktiven Flotte zählten Anfang 1906: 11 Linienschiffe mit 85,560 Ton. (von 5150–10,600 T. Größe), von denen die neuesten, die Schiffe der Erzherzog Karl-Klasse, mit 10,600 T., 118,6 m lang, 21,7 m breit sind und 7,48 m Tiefgang haben; ihre Maschinen geben bei 14,000 Pferdekräften 19–20 Seemeilen Geschwindigkeit; Bewaffnung vier 24 cm, zwölf 19 cm, zwölf 7 cm-Schnelladekanonen, 12 Maschinenkanonen, 4 Maschinengewehre, 2 Torpedorohre; Panzerung 15 bis 22 cm stark, Panzerdeck 8 cm.
Ferner 3 Panzerkreuzer mit 18,810 T. (größter Sankt Georg mit 7300 T., 21 Seemeilen Geschwindigkeit, 2 schwere, 9 mittlere, 12 leichte Schnelladekanonen), 6 kleine geschützte Kreuzer mit 17,450 T., 8 Torpedofahrzeuge, 6 große und 24 kleine Torpedoboote.
Außerdem die Donauflottille mit 4 Panzerkanonenbooten mit zusammen 1776 T. 7 alte Panzerschiffe dienen als Schul- und Kasernenschiffe, 4 alte Korvetten, 2 alte Kanonenboote als Missions- und Stationsschiffe; ferner sind vorhanden 4 Raddampfer, 4 Schlepptender, 2 Pumpenschiffe, 2 Minenlegungstender, 2Zisternenschiffe, 1 Torpedodepotschiff, 1 Werkstättenschiff, 1 Materialientransportschiff, 1 alte Fregatte als Artillerieschulschiff mit 2 seegehenden Beischiffen, 1 Torpedoschulschiff und 1 Seeminen- und Telegraphenschulschiff; 1 alte Korvette als Schiffsjungenschule mit 3 seegehenden Beischiffen, 1 Matrosenschulschiff, mehrere Hulken für Bequartierung und eine für Quarantäne. Außerdem 2 Segelkutter u. 2 Segelschoner.
Buchtipps
- Vgl. »Geschichte der k. u. k. Kriegsmarine« (Wien 1882)
- v. Koudelka, Unsre Kriegsmarine (das. 1899)
- »Die Heere und Flotten der Gegenwart« Bd. 4
- Die Flotte, von R. v. Jedina (Berl. 1899)
- Lengnick und v. Klimburg, Unsre Wehrmacht zur See (Wien 1904)
- »Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens« (Pola)
- »Almanach für die k. u. k. Kriegsmarine«.