Die Wirtschaft in Schlesien im Zeitraum von 1898 bis 1905 - Wirtschaftsgeschichte
Allgemeines - Übersicht über die Industriezweige 1898 - 1905
Schafwollindustrie
Leinenindustrie
Baumwollindustrie
Seidenindustrie
Textilmaschinenindustrie
Orgelbau
Eisenindustrie
Zinkwalzwerke
Kratzenfabrikation
Mühlenindustrie
Zuckerindustrie
Malzfabrikation
Bierbrauerei
Spiritusfabrikation, Pottasche und Schlempekohlerzeugung
Likörindustrie
Gärungsessigindustrie
Steinkohlenbergbau
Kalkbrennerei
Schiefergewinnung
Ziegelfabrikation
Tonwarenerzeugung
Chamottefabrikation
Glasfabrikation
Steinindustrie
Brettsägen und Holzhandel
Fabrikation von Möbeln aus gebogenem Holze
Knopffabriken
Zellulose-Fabrikation
Papierfabrikation
Fabrikation pharmazeutisch chemischer Produkte
Farbenfabrikation
Petroleumraffinerie
Ölfabrikation
Zündwarenindustrie
Handschuhindustrie
Das Kreditwesen Schlesiens in den Jahren 1899-1905
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Allgemeines
Wirtschaftsgeschichte und Ahnenforschung sind Themengebiete die näher beisammenliegen, als man vielleicht im ersten Moment meinen möchte. Die Wirtschaftsgeschichte hilft uns die Lebensumstände unserer Ahnen näher kennenzulernen. Die vorliegenden Artikel beziehen sich auf den Zeitraum der industriellen Revolution, der Einsatz von Maschienen hatte ab 1860 zu einer vermehrten Produktion in Fabriken geführt. Das Vorhandensein von Arbeit in Fabriken hatten zum Zuzug von Menschen, bzw. zu einem Wohnortswechsel geführt. Es hilft vielleicht zu verstehen, warum eine Familie deren Vorfahren vielleicht zuvor 200 Jahre in ein und demselben Ort gelebt hatten nun plötzlich den Wohnort wechselte. Arbeit und der damit verbundene Lebensunterhalt ist der Schlüssel.
Die hier vorliegenden Berichte beruhen auf der Selbsteinschätzung der einzelnen Firmen, die in schriftlicher Form, auf Aufforderung der k.u.k. Handels- und Gewerbekammer, jährlich erstellt wurden. Fällt für die Schilderung der wirtschaftlichen Lage ganz Schlesiens die Genauigkeit und Zuverlässigkeit dieses Materiales weniger ins Gewicht, weil hier der Handelskammer zur Erstattung ihrer Berichte noch andere Hilfsmittel zu Gebote standen, so kann dies bei den »Einzel-Berichten« nicht gesagt werden. Für diese sind die Firmen-Berichte die einzige Quelle.
Wie die Berichte von der Kammer selbst eingeschätzt wurden zeigt das summarische Vorwort aus dem Jahr 1905:
»Es muß aber hervorgehoben werden, daß die Einholung wahrheitsgetreuer Berichte über die Lage der einzelnen Industrien von Jahr zu Jahr auf größere Schwierigkeiten stößt. Ist nämlich in dem einen oder anderen Zweige wirklich einmal eine Besserung eingetreten, so wird diese nur höchst ungerne zugestanden, vielmehr durch die Hervorhebung irgend welcher ungünstiger Momente verhüllt und abgeschwächt. Der Grund ist einfach der, daß man erfahrungsgemäß nach jedem besseren Geschäftsjahre, soweit es nicht künstlich verborgen wird, ein neues Anziehen der Steuerschraube befürchtet. Damit können sich aber die Zensiten bei aller Opferwilligkeit nicht einverstanden erklären, weil ja nach den vielen schlechten Jahren ein Aufschwung noch lange nicht dem Unternehmen zugute kommt, sondern erst zur Abschreibung der ungedeckten alten Schäden verwendet werden muß.«
Eine Bemerkung im Vorworte des summarischen Berichtes über das Jahr 1898 sei hier gleichfalls noch vorausgeschickt:
»Wenn sich in der Behandlung der einzelnen Industrie- und Handelsbetriebe in gewisser Beziehung eine Ungleichheit ergibt, so ist dieselbe durch die größere oder geringere Verwendbarkeit und Reichhaltigkeit der eingelangten Äußerungen bedingt«
Für die folgende Zusammenfassung der achtjährigen Periode, welche auf diesen »Einzel-Berichten« fußt fallen natürlich die hervorgehobenen Übelstände in der Berichterstattung ebenso ins Gewicht.
Fast in allen Berichten werden Jahr für Jahr dieselben Klagen und Wünsche der Industrie treibenden Bevölkerung Schlesiens wiederholt. Die geographische Lage eignet Schlesien als Grenzland in ganz besonderem Maße für den Export und in der Tat ist das benachbarte Deutschland für zahlreiche Industriezweige ein Hauptabsatzgebiet. Sämtliche Industrien, welche exportieren, klagen über hohe Zölle, welche ihre Konkurrenzfähigkeit mit dem Auslande vermindern, und ersuchen um entsprechende Berücksichtigung bei dem Ab- schlusse der neuenl-landelsverträge. Allerdings hat die günstige Lage Schlesiens einen Nachteil. In manchen Industriezweigen macht Deutschland dem Absatze auf dem inländischen Markte starke Konkurrenz. Infolge günstigerer Produktionsverhältnisse und der billigen Frachten ist es trotz der bestehenden Zölle in der Lage, zu Preisen zu liefern, welche die heimische Industrie unmöglich gewähren kann. Ein Gegenstand ständiger Klagen der Industrien Schlesiens sind die ungünstigen Verkehrsverhältnisse und die hohen Frachtsätze. In dieser Hinsicht scheint Schlesien tatsächlich im Vergleiche zu den meisten Ländern der österreichisch-ungarischen Monarchie stark verkürzt zu sein. Der weite Weg zum Meere, nach dem Norden wie nach dem Süden, macht so mancher Industrie eine erfolgreiche Konkurrenz mit dem Auslande unmöglich, weil die hohen Bahnfrachten die Produkte stark verteuern. Hoffentlich bringen in dieser Hinsicht die projektierten Wasserstraßen, die Ausgestaltung des Triester Hafens und die fortschreitende Verstaatlichung der Eisenbahnen die schon lange gewünschte Besserung.
Eine weitere stets wiederkehrende Klage bilden die schlechten Kredit- und Zahlungsverhältnisse, insbesondere in Galizien, Ungarn und den Balkanstaaten. In diesen Ländern sind die Industriellen infolge einer mangelhaften und umständlichen Rechtspflege hinsichtlich ihrer Forderungen vielfach von dem guten Willen ihrer Kunden abhängig. Eine Reform der Konkursordnung wird dringend gefordert. Die Konsulate sollten den industriellen und kommerziellen Interessen vielmehr Rechnung tragen, als dies bisher geschieht. Genaue und verläßliche Auskünfte über die Kreditfähigkeit ausländischer Firmen, den Erntestand, über Konkurrenzausschreibungen etc, könnten vielfach durch die Konsulate erteilt werden. Den diesbezüglich geäußerten Wünschen ist übrigens im Laufe der Berichtsperiode in anerkennenswerter Weise zum großen Teile Rechnung der tragen worden.
Über hohe Steuern wird ständig Klage geführt, insbesondere seitens der zur öffentlichen Rechnungslegung verpflichteten Unternehmungen, welche für die industrielle Entwicklung von nicht zu unterschätzender Bedeutung sind. Die günstigere Stellung in der Besteuerung dieser Unternehmungen im Auslande erhöht deren Konkurrenzfähigkeit. Für die Lage der Industrien kommen des weiteren noch verschiedene Momente in Betracht, wie Ernteausfall, Witterung, Arbeiterausstände und Mode, welche dieselben teils direkt treffen, teils infolge des Ineinandergreifens und der gegenseitigen Abhängigkeit der einzelnen Industriezweige indirekt in Mitleidenschaft ziehen. Die Arbeitslöhne gingen während der Berichtsperiode (1898 – 1905) ständig in die Höhe, über den Mangel an geeigneten und geschulten Arbeitskräften wird vielfach Klage geführt. Bestimmend für die Geschäftslage sind die für die erzeugten Fabrikate erzielten Preise, weiche mannigfachen Schwankungen unterliegen. Ein Jahr, in welchem alle Betriebe eines Industriezweiges gut beschäftigt sind, und die fertige Ware flott abgeht, bedeutet nicht immer auch ein gutes Geschäftsjahr. Um die Betriebe zu beschäftigen, um die Einrichtung der Etablissements durch die Arbeitseinstellung nicht zu entwerten und um die Absatzgebiete zu behaupten, sind einzelne Industrien vielfach gezwungen, ihre Produkte zu Preisen abzugeben, welche die Gestehungskosten kaum übersteigen, ja, oft gar nicht einmal erreichen. In manchen lndustriezweigen werden die Preise durch eine oft geradezu sinnlose Konkurrenz gedrückt, welche es unmöglich macht, die Preise der fertigen Ware mit denen der Rohprodukte und Halbfabrikate in Einklang zu bringen. Auch hier sei betont, daß die Handels- und Gewerbekammer stets bemüht war, die verschiedenen Übelstände zu beseitigen, und daß ihr Einschreiten oft den gewünschten Erfolg hatte. All den Sonderwünschen Rechnung zu tragen, ist ein Ding der Unmöglichkeit In erster Linie muß eben überall das Gesamtwohl im Auge behalten werden, dem sich jeder einzelne anzupassen hat eine notwendige Unterordnung, der schließlich und endlich jeder Staatsbürger Opfer bringen muß. Überall begegnen sich die verschiedenen oft ganz entgegensetzten Interessen, die sich nicht durch Gesetze und Verordnungen regeln lassen. Ihre Lösung kann nur durch privates Überein- und Entgegenkommen erfolgen. Betreffend die Reihenfolge bei der Besprechung der einzelnen Industriezweige wurde die Anordnung in den Jahresberichten der k.u.k Handels- und Gewerbekammer beibehalten.